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Beitrag vom 18.04.2004
Dieses Jahr in Czernowitz
Tatjana Zilg
Dokumentarfilmer Volker Koepp beobachtet die Auseinandersetzung von jüdischen EmigrantInnen mit ihrem Heimatort in der Ukraine. Der Film steht in Kontinuität zu "Herr Zwilling und Frau Zuckermann"
Volker Koepp filmte die temporäre Rückkehr nach Czernowitz von EmigrantInnen und deren Kindern, die im vergangenen Jahrhundert aus der Bukowina flüchten mussten. Der Cellist Eduard Weismann macht sich von Berlin aus auf den Weg, aus Wien kommen die Schwestern Evelyne Mayer und Katja Rainer, aus New York der Schauspieler Harvey Keitel und der Schriftsteller Norman Manea.
Czernivizi liegt im Westen der Ukraine nahe der Grenze zu Rumänien. Als die frühere Hauptstadt des Kronlandes Bukowina noch Czernowitz hieß, gehörte sie zur österreichisch-ungarischen Monarchie. Menschen verschiedener Nationalitäten, Sprachen und Kulturen lebten hier miteinander: UkrainerInnen, RumänInnen, Deutsche, PolInnen, HuzulInnen. Beinahe die Hälfte der einst 150.000 EinwohnerInnen von Czernowitz waren Jüdinnen und Juden. Nur wenige von ihnen überlebten die von Deutschen und Rumänen 1941 verordnete Deportation in die Lager Transnistriens.
Die meisten der ProtagonistInnen lernte Volker Koepp bei Aufführungen seines 1999 gedrehten Film "Herr Zwilling und Frau Zuckermann" kennen. In diesem Film porträtierte er das Leben zweier in Czernowitz geborenen Juden, die bis zu ihrem Tod 1999 und 2002 noch dort wohnten.
"Dieses Jahr in Czernowitz" zeigt die Verbundenheit der Lebenserfahrungen der weltweit verstreuten EmigrantInnen. Sie sind sehr berührt von der Rückkehr an ihren Heimatort. In ihren Reflektionen über ihre Biographie und die gegenwärtige Situation in Czernowitz werden die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien erfahrbar. Tiefe Betroffenheit entsteht bei den Erinnerungen an Deportation, Diskriminierung und Militärgewalt.
Die Begegnung mit dem heutigen Czernowitz führt zu der engagierten Studentin Tanja Kloubert, die gerade ihre Übersetzer-Prüfungen an der Universität absolviert. Sie bereitet sich mit gemischten Gefühlen darauf vor, aus ihrer Heimatstadt wegzugehen, um in Jena weiterzustudieren und zu heiraten. Die Ukrainerin repräsentiert die Multikulturalität einer Stadt wie Czernowitz. Inzwischen spricht sie neben ihrer Heimatsprache Ukrainisch Deutsch, Russisch, Polnisch, Französisch und Englisch. Als Übersetzerin nimmt sie eine wichtige Rolle ein, wenn sie z.B. Harvey Keitel und Volker Koepp durch die restaurierte Innenstadt begleitet.
Der Regisseur Volker Koepp wurde 1944 in Stettin geboren. Nach einer Ausbildung als Maschinenschlosser studierte er zunächst an der Technischen Universität Dresden, danach an der Hochschule für Filmkunst in Babelsberg. Von 1970 bis 1990 arbeitete er als Regisseur am Defa Studio für Dokumentarfilm, seitdem ist er als freiberuflicher Filmemacher tätig.
Aviva-Tipp: Ein feinfühliger Dokumentarfilm, der Vergangenheit erlebbar macht und für die Gegenwart sensibilisiert.
Dieses Jahr in Czernowitz
Regie: Volker Koepp
mit Ria Gold, Harvey Keitel, Tanja Kloubert, Norman Manea, Evelyne Mayer, Katja Rainer, Johann Schlamp, Gabriele Weissmann, Eduard Weissmann
Kamera: Thomas Plenert, Susanne Schüle
Verleih: Edition Salzgeber
Kinostart: 22.04.2004 in Berlin, bundesweiter Kinostart ab 17. Juni 2004